Komorebi, 2014;

Wie viele andere habe ich mich schon oft durch das Schattenspiel von Blättern auf  unterschiedlichen Untergründen zu Tagträumen hinreißen lassen. Beobachtet, welche Muster und Farben die Sonnenstrahlen, die durch das Blätterdach eines Baumes fallen, auf ihnen zeichnen und wie schnell sich diese mithilfe eines Windhauchs verändern können. Zahlreiche professionelle und Amateur-Fotograf_innen haben versucht, dieses spezielle Licht und das aus ihm generierte Bild einzufangen. Dass dieses Phänomen einen eigenen Namen hat, wurde mir erst durch den Titel bewusst, den Elisabeth Schmirl für ihre Ausstellung gewählt hat: Eigentlich erscheint es mir logisch, dass ausgerechnet im Japanischen ein eigner Begriff dafür existiert – ‚Komorebi‘. Im Deutschen gibt es keine Entsprechung für dieses Wort. Es kann lediglich ein wenig spröde und völlig unpoetisch mit „Sonnenlicht, das durch die Blätter einer Baumkrone gefiltert wird“ übersetzt werden. Viele Sprachen bilden Begriffe aus, die sich lediglich anhand von Umschreibungen in andere Sprachen übersetzen lassen. Im Internet findet man großartige Beispiele dafür. Bilder jedoch vermögen diese sprachlichen Unzulänglichkeiten zu umgehen oder gar zu beheben. 

Elisabeth Schmirl hat in jahrelangen Recherchen, in einem Wechselspiel zwischen Suchen und Finden, einen Fundus an (digitalen) Bildern zusammengetragen, der gut gehütet tagtäglich erweitert wird. Spannend sind sie für die Künstlerin nicht nur aus rein ästhetischen oder thematischen Kriterien, in ihnen erkennt sie bereits die zukünftigen Werke, die sie aus ihnen kreieren wird. Sie dienen als Bühnen, aus ihnen entlehnt sie Darsteller_innen. Manche Elemente verführen zu neuen Sichtweisen auf vermeintlich bekannte Dinge oder lassen neue Geschichten entstehen. Manche Bühnen kennen wir aus älteren Werken, manche Figuren lassen uns an ein Déjà-vu denken. Gemeinsam ist den Fotografien ein ‚gewisses Etwas‘, ein geheimnisvoller Reiz, der Künstlerin und Betrachter_innen bannt. Roland Barthes‘ ‚punctum‘ lässt grüßen: Vergleichbar mit seiner Begriffsdeutung von ‚studium‘ und ‚punctum‘ bringen einzelne Elemente das Gleichgewicht der Komposition, der Neuinszenierung ins Wanken. Einerseits sind diese Elemente oft nicht eindeutig auszumachen, ist es lediglich eine subtile Ahnung. Andererseits sind die Elemente nicht an Personen, Gebäuden oder Landschaften festzumachen, sondern über die Behandlung einzelner Druckplatten, die zu einer Verschiebung führt. 

Licht spielt im Werk von Elisabeth Schmirl seit jeher eine immanente Rolle. Ihre zarten, pastelligen Gemälde ebenso wie ihre Zeichnungen und Drucke spielen mit feinen Farbnuancen. ‚Komorebi‘ wird in ihnen als Licht- aber auch Farbphänomen sichtbar, nicht auf die eigentliche Begriffsdefinition beschränkt, sondern das gesamte phänomenologische Spektrum der Betrachtung auslotend. So wie die Blätter, durch die das Licht fällt, das ‚Komorebi‘ erst ermöglichen, bewirkt die besondere Bearbeitung der Druckplatten, die de facto auch einzelne Blätter sind, durch die Künstlerin ein intensives, aber auch spielerisch wirkendes Erforschen unterschiedliche Farb- und damit Lichtspektren. Diese sind durchaus mit den Lichtreflexionen vergleichbar, welche das ‚Komorebi‘ entstehen lässt. (TT)