Between Stimulus and Response

"Fotografische Bilder wenn man es sehr weit nimmt zirkulieren ja heute in allen möglichen Kanälen, wir sind ständig damit konfrontiert, wir können nichts aufschlagen und keine Ecke mit dem Auto fahren den Computer nicht einschalten ohne ständig mit visuellen Oberflächen konfrontiert zu sein, die was von uns wollen, die uns was zeigen, die unsere Aufmerksamkeit erregen, die uns Bedeutung vermitteln wollen oder sollen.


Und deswegen finde ich die aktuelle, auch internationale, Debatte sehr interessant: Es geht hier darum über Bilder neu nachzudenken. Man spricht von der Zirkulation, der Verbreitung, und über die Streuung der Bilder. Was passiert mit ihnen wenn sie alle möglichen, verschiedenen Medien durchqueren? Es gibt einen Begriff einer wichtigen zeitgenössischen Denkerin über Bilder, Hito Steyrl: sie spricht vom „Poor Image“ - dem Armenbild. Wenn Sie an die Mona Lisa denken, dieses Bild gibt es vergrößert, verkleinert, verändert, in einem anderen Zusammenhang gestellt. Die Mona Lisa bedeutet dann auf 40 Millionen Websites ganz was anderes wie auf anderen 20 Millionen Websites. Es ist auch ein interessanter Begriff, weil er auch eine sehr kennzeichnende Debatte beschreibt die stattfindet. Wir reden auch was Bilder anbelangt, und nicht nur Bilder, immer um Verluste und auch den Zugewinn. Klar, das Bild wird verkleinert, runtergerechnet, es verliert an Brillanz und Eindruck aber wir gewinnen auf der anderen Seite immer auch etwas dazu: Dass zum Beispiel Bilder nicht mehr so hierarchisch sind, wie früher und als Poor Image eine ganz andere Verbreitung finden. Es hat ja auch was für sich, dass die Mona Lisa 40 Millionen mal ganz anders besprochen werden kann. In einem sehr komplexen Gefüge von verschiedenen Zugriffen, auch von einer Ökonomisierung dessen was Bilder sind, pendeln wir zwischen der sofortigen kostenlosen Verfügbarkeit und dem teueren Erwerb an Bildrechten, der Exklusivität. Dann wissen wir alle seit vielen Jahren dass man Bildern immer weniger glauben kann, alle paar Wochen gibt es Neuigkeiten wie, dass ein ganz berühmtes Cover-Image der Times oder des Guardian im Grunde genommen manipuliert war.


Ich finde das interessant, weil man nicht mehr so selbstverständlich davon ausgehen kann, dass man Bilder nur anschaut und dass das Verständnis beim Anblick des Bildes passieren kann. Das ist eigentlich die Konklusio der langen Vorrede, dass es schwierig geworden ist über Bilder zu sprechen nur in dem man sie ansieht.
Einerseits liegt das daran, dass Bilder viel mit Dingen zu tun haben, die nicht visuell sind: mit Erinnerungen, mit Wissen mit Geschichte und auch mit unserer Erwartung. Was erwarten wir von Bildern? Mit welchem Anspruch gehen wir an Bilder heran, wie verwenden wir sie? Was tun wir damit, was bedeuten sie für uns?  
Ich finde, dass in diesen ganzem Komplex von Verlusten und Möglichkeiten, Elisabeth Schmirl mit ihrer Arbeit eine ganz spezifische Position einnimmt. Einmal weil sie, was sie auch in dem Einführungstext lesen können, sehr oft auf schon bestehende Bilder zurückgreift, die sie in einem sehr komplexen und sehr ausziseliertem Verfahren findet und sammelt.  Aber auch weil sie sehr präzise zunächst einmal ihre Quellen auswählt. Viele davon sind historische Fotografien, manche reichen sehr weit ins 19 Jh. zurück, alle wurden in digitale Archive eingespeist. So auch bei den Daguerrotypien, die u.a. als Material für die Blaudrucke dienten. Sie sind nun wieder davon gekennzeichnet, dass sie bereits so alt sind und bestimmte Bildinhalte fast verschwunden sind. Man kann oftmals keine Köpfe erkennen, sie sind unscharf, zerkratzt, sie fransen aus, usw.
Das heißt die Bilder (Quellen) haben interessanterweise Leerstellen - da fehlt schon was. Genau in diese kann man sich einschleusen, da kann man was tun. Und das ist einer dieser interessanten Momente in Elisabeths’ Arbeit. Sie arbeitet mit der Geschichte der Fotografie mit historischem Bildmaterial, dass sie sich die ganz genau anschaut, daraufhin was es bedeutet, was es vielleicht damals bedeutet hat und was es in ihrem Sinn bedeuten könnte. Es geht auch darum wie wir es heute lesen, von welcher Bürgerlichkeit oder von welchen Identitätsbegriffen von welcher Frauenrolle oder Geschlechterverhältnissen erzählt wird, welche Öffentlichkeiten da zu sehen sind. Wie sind die Bilder inszeniert? Wie sind die Personen ins Bild gesetzt? Sie sind alle irgendwie ähnlich, aufgrund der langen Belichtungszeiten haben sie auch einen sehr statutarischen Effekt - aber sie sprechen natürlich zu uns. Man kann ihnen Fragen stellen. Es existiert da auch noch eine Ambivalenz im heutigen Bildschaffen. Zwei Pole, wenn man so will. Einmal geht es um die Produktion - das Bilder produzieren. Das macht man gut, und stellt man in Galerien aus. Oder das andere ist, in Anbetracht der Flut an Bildern, man eignet sich die Sachen an, tut was damit - formatiert sie neu - bringt sie in neue Kontexte. Das hat sicher mit diesen riesigen (digitalen) Archiven, die uns auch überfluten und zu überwältigen drohen, zu tun.

Was ich auch sehr schön finde ist, dieser ästhetische Reiz mit dem sie arbeitet. Indem Elisabeth angesichts dieser ständigen digitalen Verfügbarkeit von allem, wieder mit alten, historischen Verfahren - mit dem Gummitransferdruck, dem Blaudruck - dem Unikat arbeitet, fügt sie den digitalen Bildern die sie findet, mit denen sie was tut, dann wiederum eine neue Materialität hinzu. Das verändert sie. Es ist sehr spannend, dass auf diese Weise in einer Zeit in der Alles irgendwie zu zu fließen, zu verfließen und zu zirkulieren scheint, auf der physischen, der aktualisierten, Materialität der Bilder bestanden und richtig insistiert wird.
Und des weiteren was ich ganz faszinierend finde ist, dass diese Materialisationen - diese Drucke - dann aus so vielen einzelnen Teilen zusammengesetzt sind. Besonders auch dass die Übergänge zwischen den einzelnen Flächen nie ganz perfekt sind, was es wie eine Camouflage aussehen lässt. Aber nicht in dem Sinn dass wir getäuscht werden. Im Gegenteil. Wir können die Spuren der Intervention auch entdecken und lesen. Wir sehen: Der Astronaut  (I feel fine. How about you?; Gummi-Transfer-Druck, 2teilig, 2016) muß wohl jüngeren Datums sein auch die Architektur im Hintergrund und die Galerieansichten die man sieht erzählen davon. Es gibt nicht diese homogenen Flächen, die immer alles zeigen, wo alles perfekt zusammengehört und die in sich schlüssig sind. Was ich ganz, ganz schön finde. Worauf ich so stark reagiere in den Bildern ist, dass die Künstlerin uns zeigt wie fragil, wie fragmentarisch, wie zusammengesetzt unsere heutigen Bildwelten sind und dass diese Bilder nicht selbstverständlich sind. Sie sind immer irgendwie hergestellt und bearbeitet. Es gibt stets einen Grund warum sie irgendwo auftauchen, oder auch nicht. Deswegen sehe ich dass da eine sehr starke, sehr interessante Ambivalenz zwischen der eher konventionellen Technik und der Zeitgenossenschaft im Umgang, mit dem was heute für uns Bilder sind, drinnen steckt. Und deshalb bin ich froh, dass ich die Möglichkeit hatte mir die Ausstellung anzusehen, vorbeizukommen und ihnen davon zu erzählen wie gut ich das finde. "